Quo vadis, Bad Nauheim? Bürgermeister Klaus Kreß zu Gast im Rotary-Club

Unter strengen 2-G-Kriterien stellte Bürgermeister Kreß auf Einladung von Rotary-Präsident Jens Paßmann am Dienstag im Hotel Dolce im Gespräch mit den Rotariern Ulli Krafft, Heinz-Joachim Wagner und Stefan Zettl seine Pläne für die Zukunft von Bad Nauheim vor. Vor rund 20 Rotariern und 18 Online-Teilnehmern wies er zunächst darauf hin, dass die Kur-stadt von Corona genau so überraschend betroffen gewesen sei wie alle anderen auch, in der Umsetzung von Pandemie-Maßnahmen aber schneller als viele andere reagiert habe und gut aufgestellt sei. Zu den vorrangigen Zielen des Bürgermeisters gehören der Neubau der Therme, für die inzwischen mehr als 50 Prozent der Gewerke vergeben seien, die neue Tiefgarage sowie das Thermen-Hotel.

Kreß legte dar, dass die Stadt ihre Attraktivität weiter steigern wolle. Einzelhandel und Gastronomie bräuchten einen Erlebnisraum Innenstadt mit noch mehr Grün, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. Co-working und Pop-up Stores könnten Leerstand ver-meiden helfen, auch wenn gegen die Breite des Internets kaum anzukommen sei. In den Kolonnaden könnte unter Nutzung von Fördermitteln ein solcher Co-working-space entstehen. Gleichzeitig wolle man als attraktive Kurstadt den Tourismus stärken.

Als Problem sieht Kreß die hohen Immobilienpreise – die Kurstadt setze Fördermittel für eine bezahlbare Belegung der Neubauten ein. Die Zahl der Sozialwohnungen liege im Bundesschnitt, Investoren müssten 15 Prozent preiswertes Wohnen auf zehn Jahre bieten oder eine Ablöse zahlen, die der Bad Nauheimer Wohnungsbaugesellschaft für preiswertes Bauen zur Verfügung stehe. Im Neubau-gebiet Bad Nauheim-Süd seien 80 Prozent der Häuser an Bad Nauheimer Familien gegangen, weil man Bauland vor allem den Einheimischen anbiete. 

Die Verkehrsanbindung sei dabei essentiell: Car-Sharing, Fahrrad-Nutzungs-Modelle und -wege gehörten dazu, individuelle Mobilität sei für viele Bürger unabdingbar. Zwar sei eine autofreie Stadt noch eine Vision für die Zukunft, doch arbeite man mit vielen Maßnahmen an der Reduzierung des Autoverkehrs. Die Mobilitätsbefragung mit großem Rücklauf habe ergeben, dass der Stadtbus bis 2024 mit anderen Routen und Fahrzeugtypen neu aufge-stellt werden müsse. „Autofrei geht aber nur, wenn attraktive Parkangebote da sind, dies braucht Zeit und Geld“, betonte der Bürgermeister. Der neue Stadtbus werde 2024 rollen, der Bau des Parkdecks solle 2023 begonnen werden. Die Idee eines autark fahrenden Kurbähnchens von der Frankfurter Straße zur Innenstadt könnte auch zum Konzept gehören. 

Unter vergleichbaren Städten sieht sich Bad Nauheim eher im Austausch mit Wiesbaden, Darmstadt, Bad Homburg oder Kronberg als mit der Nachbarstadt Friedberg, deren Struktur und Standards historisch bedingt ganz anders seien. Gemeinsam verfolgten Friedberg und Bad Nauheim dennoch mehrere Projekte; ein ausgeglichener Haushalt sei nicht der alleinige Maßstab, wenn man „schönste Stadt der Wetterau“ bleiben wolle. Wer nicht investiere, müsse später umso mehr aufwenden, weil dann auch Handel und Gewerbe zurückgingen, betonte Kreß.

Als zusätzliches Leitbild solle das Kneipp-Heilbad bald Wirklichkeit werden, eine Co2-freie Wärmeversorgung sei angestrebt. Mittel- bis langfristiges Ziel sei ein selbstbewusstes, klimaneutrales Heilbad. Dabei spiele die Finanzierung die entscheidende Rolle, nicht die Politik: Wie die Erfahrung zeige, sei – wenn die Konzepte überzeugten – kommunal die politische Konstellation nachrangig. Allerdings müssten die politischen Prozesse schneller werden, forderte der Bürgermeister.

Mit Blick auf Gewerbe und Industrie gebe es Kooperationen, wie etwa bei der inzwischen bundesweit renommierten „kalten Nahwärme“, die als universitäres wissenschaftliches Projekt begonnen habe. Auch die Digitalisierungsstrategie sei ein Beispiel für wirtschaftliche Partnerschaften, die Verwaltung setze dabei auf externe Kompetenz. In die Weiterentwick-lung der Stadt seien die Ortsteile einbezogen, allerdings unter sorgfältiger Beachtung ihrer jeweiligen, historisch gewachsenen Identität. Zu einem neuen Eisstadion hatte Bürger-meister Kreß keine Neuigkeiten. Möglich sei eine Planung an die B3 herangerückt in der Talaue. Doch ohne größere finanzstarke Investoren seitens des EC werde es nicht gehen.

In der abschließenden Fragerunde nannte Klaus Kreß als Zeitschiene für die großen Kern-vorhaben die Fertigstellung der Therme samt Tiefgarage bis September 2023, Hotelinnen-ausbau und Anbindung zur Sauna könnten bis August 2024 geschafft werden, wenn Corona nicht zu einer weiteren Knappheit der Ressourcen, Teuerung und Zeitverzögerungen führe.